Theorie Zweitspracherwerb
Ein Kind aus einem andern Sprach- und Kulturraum kommt neu in eine bestehende Klasse. Es kennt weder Sprache noch Organisationsform der Schule, hat keine Freundinnen oder Kollegen, mit denen es sich austauschen kann, weiss nicht, was es erwartet. Das ist eine äusserst schwierige Situation.
Pädagogik des Ankommens
Ein Kind aus einem andern Sprach- und Kulturraum kommt neu in eine bestehende Klasse. Es kennt weder Sprache noch Organisationsform der Schule, hat keine Freundinnen oder Kollegen, mit denen es sich austauschen kann, weiss nicht, was es erwartet. Das ist eine äusserst schwierige Situation. Deshalb ist es wichtig, die ersten Tage bewusst in Hinblick auf dieses Kind zu planen und zu gestalten. In diesem Sinn ist der Begriff “Pädagogik des Ankommens“ zu verstehen.Für die bestehende Klasse bedeutet dies, sich zu öffnen, um dem neuen Kind die Integration zu erleichtern. Integrativer Unterricht beginnt jedoch lange bevor das fremde Kind kommt. Er setzt eine pädagogische Grundhaltung voraus, welche die Eigenheiten, Ressourcen, Stärken und Schwächen aller SchülerInnen einbezieht. Ein solcher Unterricht ermöglicht und vermittelt die Erfahrung, dass Differenz weder gut noch schlecht ist. Dadurch stärkt er Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit der einzelnen Kinder. Diese Selbstsicherheit ermöglicht es, dem fremden Kind ohne Angst, offen und gastfreundlich zu begegnen.
Anregungen zur Planung und Gestaltung der ersten Tage mit dem neuen Kind:
Bevor die neue Schülerin, der neue Schüler kommt:
Auch wenn das neue Kind noch nichts versteht, muss es spüren, dass es willkommen ist.
- Besprechen, wo das Kind sitzt
- Gotte / Götti bestimmen
- Willkommensplakat gestalten
Der erste Tag:
Das neue Kind braucht Zeit, um anzukommen und sich zu orientieren.
- Die wichtigsten Räumlichkeiten zeigen
- Foto oder Selbstporträt erstellen und im Schulzimmer aufhängen
- Kennenlernspiele
Die folgenden Tage:
Strukturen und vorhersehbare Abläufe vermitteln Sicherheit.
- Begegnungszeiten einplanen
- Musik- und Bewegungsimprovisationen erproben
- Die DaZ-Stunden nicht zur gleichen Zeit wie Musik, Turnen, Werken ansetzen
Definition Erst-, Zweit- und Fremdsprachrache
Erstprache
Die Erstsprache ist in der Regel die Sprache der Eltern, die ein Mensch nach seiner Geburt lernt. Sprechen die beiden Elternteile zwei verschiedene Sprachen mit dem Kind, dann wächst das Kind mit zwei Erstsprachen auf. Umgangssprachlich wird die Erstsprache auch Muttersprache genannt, in der Annahme, dass diese vor allem durch die Mutter vermittelt wird.
Um Erstspracherwerb (ESE) handelt es sich, wenn der Lerner – in der Regel ein Kind – zuvor noch keine Sprache erworben hat. Der ESE geht Hand in Hand mit der sozialen und kognitiven Entwicklung des Kindes und wird im Familienkreis erworben.
Die Erstsprache ist eine Lernsprache (L1), weil das Kind in dieser Sprache seine Umwelt kennen und erfahren lernt. Diese Funktionen sind grundlegend für die affektive und geistige Entwicklung des Kindes. Normalerweise hat ein Kind im Grundschulalter beim Spracherwerb ein Niveau erreicht, das ihm ermöglicht, sich fliessend zu verständigen.
Deutschschweizer Kinder erwerben die Erstsprache in Form eines alemannischen Dialektes. Die Standardsprache wird in der Regel im Vorschulalter durch Medien und im Schulalter vor allem im Schulunterricht vermittelt.
Zweitsprache
Viele Kinder lernen aber nicht nur eine Sprache sondern zwei oder mehr. Zweitspracherwerb ist die Aneignung einer weiteren Sprache nach dem ESE. Eine Zweitsprache wird natürlich aufgrund sozialer Kontakte und im gesellschaftlichen Umfeld, sowie auch im institutionalisierten Rahmen wie in der Schule erworben. Es handelt sich – im Gegensatz zur Fremdsprache - um die Sprache, die in der jeweiligen Gesellschaft gesprochen wird.
In der Deutschschweiz erwerben Kinder aus anderssprachigen Familien, die im Schulalter in die Schweiz kommen, in der Regel zuerst die Standardsprache in der Schule. Die Dialektsprache wird eher natürlich im sozialen Umfeld erworben.
Die Zweitsprache ist wie die Erstsprache eine Sozialisations- und Affektsprache und wird für die Kinder sehr schnell zur Lernsprache (L2).
Fremdsprache
Fremdsprachen sind diejenigen Sprachen, die ausschliesslich in der Schule gelernt werden um mit Angehörigen aus und in anderen Sprachregionen kommunizieren oder fremdsprachige Texte lesen zu können. Diese Sprachen lernt man sozusagen „auf Vorrat“ (Nodari/Neugebauer, 2002), um sie in der entsprechenden Situation anwenden zu können. Fremdsprachen haben keine affektiv-soziale Aufgabe und sind in der Regel auch keine Lernsprachen. Für diese Arbeit sind die Fremdsprachen nicht von Bedeutung und werden nicht mehr weiter betrachtet.
Grammatik
Aus der Zusammenfassung des Artikels:
“Grammatikunterricht - oder der Drang nach immer grösser werdender Klarheit” |
Die Autoren Amsler/Portmann/Tuggener sagen:
"Grammatik steht auf dem Papier, im Schulbuch oder im DUDEN. Aber solange sie nur dort steht, nützt sie nicht viel. Grammatik gehört in den Kopf."
Diese Aussage ist zentral. Es werden die Unterschiede in der Anwendung von Grammatik von Muttersprachlern und Fremdsprachlern aufgezeigt. Wir Muttersprachler haben ein intuitives Wissen, das wir im direkten sprachlichen Umgang erworben haben und unbewusst anwenden. Mit Grammatik kommen wir erst in der Schule in Kontakt. Ihre Anwendung hilft uns in Zweifelsfällen, aber wir können ganz gut ohne sie leben und uns verständigen.
Im Fremdsprachunterricht aber ist Grammatik von Anfang an ein Thema. Nach kurzer Zeit haben wir als Fremdsprachlernende Grammatik auf zwei verschiedene Arten im Kopf:
- Einen Teil beherrschen wir wie in der Muttersprache, direkt und ohne Nachdenken.
- Aber es gibt auch einen anderen Teil, der noch nicht "sitzt". Das ist Wissen, das wir nur manchmal richtig anwenden können und das im Stressfall nicht zur Verfügung steht.
Wortschatz
Ein Neuankömmling in der Klasse bekommt täglich einen gewaltigen Input an fremden Lauten und Eindrücken. Wir Lehrpersonen müssen darauf achten, dass er davon nicht erdrückt wird und ihm parallel dazu etwas anderes anbieten, woran er gezielt lernen kann, nämlich einen bewusst gebrauchten Anfängerwortschatz.
Im Anfangsunterricht geht es vorerst um Hörverstehen. Durch mehrmaliges Hören, durch Zeigen mit Mimik, Gestik und den realen Gegenständen kristallisieren sich Wörter und ihre Bedeutung heraus.
Im Lehrmittel „Pipapo“, das speziell für Anfänger (3.bis 6. Kl.) geschaffen wurde, steht:
„Das Ziel der Wortschatzarbeit ist es nicht, beliebig viele deutsche Wörter zu lernen. Es geht vielmehr darum, häufig vorkommende Wörter und Ausdrücke systematisch zu lernen, damit sie von den Kindern auch produktiv eingesetzt werden können. Kinder lernen Wörter vorwiegend in Handlungszusammenhängen und durch Geschichten.“(2002,S.29)
Einen soliden Aufbau des Grundwortschatzes unterstützen Lehrer und Lehrerinnen, wenn sie nicht nur spontan mit dem neuen Kind kommunizieren, sondern sich bewusst bemühen, täglich bestimmte, sich wiederholende wichtige Wendungen in Standardsprache zu gebrauchen. Vorzüglich wäre es, sich hauptsächlich des gleichen Wortschatzes wie die DaZ- Lehrperson zu bedienen.
Für den guten Sprachaufbau ist es wichtig, dass die Standardsprache von den Lehrpersonen im Unterricht bewusst eingesetzt wird. Je besser der Input, desto leichter fällt in einem späteren Zeitpunkt das Reproduzieren. Da der Wortschatzerwerb ein Prozess ist, darf nicht zu früh das Sprechen erwartet werden. Anfänger verhalten sich zuerst rezeptiv. Sie müssen zuerst mal in die Sprachmelodie hineinhören. Mit einigen Ausnahmen gilt für die meisten Wörter der lernpsychologische Grundsatz der 50-maligen Wiederholung. Der Verstehenswortschatz ist immer um ein Mehrfaches grösser als der Mitteilungswortschatz.
Erfahrungsgemäss kann man in einer Sprache etwa 3-bis 5—mal mehr Wörter verstehen als man selbst produzieren kann. (siehe Grundwortschatz Kleinbasel, S.5)
Literatur
interessante Bücher:
Claudio Nodari, Raffaele De Rosa: Mehrsprachige Kinder
Lektürehinweise des Instituts für interkulturelle Kommunikation
Grundwortschatz “dingsda”
Primarschule Kleinbasel
Grundwortschatz Deutsch als Zweitsprache für die 1. und 2. Klasse
Herausgeber:
Rektorat Primarschule Kleinbasel
Hammerstrasse 23
4058 Basel
Inhalt:
Institut für Interkulturelle Kommunikation
Lic. phil. Denise Da Rin
Dr. Claudio Nodari
März 2001
- Zimmer, Dieter E. (1986): “So kommt der Mensch zur Sprache” Wilhelm Heyne, München
- Schader, Basil. (2000): “Sprachenvielfalt als Chance” Orell Füssli, Zürich
- Ingelore, Oomen-Welke. 1998: "...ich kann da nix!" Fillibach, Freiburg im Breisgau